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Über das Wesen Gandalfs

J.R.R. Tolkien - Nachrichten aus Mittelerde

Im Herrn der Ringe und in Der Hobbit ist Gandalf eine fesselnde und faszinierende Gestalt. Wir erfahren Vieles über seine Handlungen, aber vergleichsweise wenig über ihn selbst.

Wesentlich ergiebiger – und für alle Gandalf-Liebhaber ohne Einschränkung zu empfehlen – sind die Nachrichten aus Mittelerde (Abk.: NaME), Teil IV, 2 Die Istari.

Gandalf hatte weder festen Wohnsitz noch Besitz und war ständig unterwegs, zu helfen wo Hilfe nötig war. Sein Geist wird als lebhaft und hellwach beschrieben, sein Charakter als etwas jähzornig, was wir auch im Herrn der Ringe hier und da erfahren.

Sein graues weites Gewand war eine gute Tarnung für das innere Feuer, das Gandalf in sich trug. Kaum jemand vermutete etwas davon, wenn er den gemütlich wirkenden, mit Vorliebe Pfeifenkraut rauchenden grauen Pilger sah.

Gandalf mochte Menschen schlichten Gemüts und verachtete sie nicht, nur Torheit konnte ihn bisweilen auf die Palme bringen. Nichts was er machte tat er für sich, seinen Ruf oder Ruhm und gerade deshalb war er überall geliebt von allen, die gleichen Charakters waren.

Nach außen hin schien Gandalf keinesfalls so weise und mächtig zu sein, wie es ein Leser des Herrn der Ringe oder des Hobbit annehmen würde:

[…] kleiner als die übrigen und älter aussehend, grauhaarig und grau gekleidet und auf einen Stab gestützt.

Nachrichten aus Mittelerde, Teil Vier, Kapitel II, Die Istari

Círdan hingegen ahnte von Anfang an, was wirklich in ihm steckte an Klugheit und übergab ihm Narya, den Roten Ring der Macht. Gandalf nahm den Ring, trug ihn aber nicht offen.

Das wird deutlich im Herrn der Ringe ganz am Ende, als Frodo sich nach Westen aufmacht:

[…] und als er sich umwandte und ihnen entgegenkam, sah Frodo, dass Gandalf nun offen den dritten Ring am Finger trug, Narya den Großen, und der Stein daran glühte rot wie Feuer.

Der Herr der Ringe, Sechstes Buch, Neuntes Kapitel, Die Grauen Anfurten

Dennoch kam Saruman eines Tages dahinter. Er neidete Gandalf den Ring und es heißt, das sei der Anfang des versteckten Grolls gewesen, den Saruman gegen Gandalf hegte. Er war von jeher sehr an den Ringen der Macht interessiert und misstraute Gandalf bereits sehr früh. Vermutlich konnte er sich nicht vorstellen, dass Gandalf nicht an Macht für sich selbst und eigene Zwecke interessiert war.

Gandalfs Aufgabe als Istari

Gandalf wurde als einer von fünf Istari von den Valar nach Mittelerde geschickt, um Sauron Einhalt zu gebieten und die Fehler der Valar aus der Vergangenheit wiedergutzumachen. Gandalf war von allen Istari der einzige wirklich Getreue der seiner Aufgabe nachkam, während andere Istari von Mittelerde selbst oder der Gier nach Macht von ihrem Weg abgebracht wurden.

Von allen Istari war er der den Elben am engsten Verbundene. In handschriftlichen Notizen Tolkiens findet sich der Hinweis, dass es Manwë war, der wollte, dass Olórin mit nach Mittelerde ging, mit der Begründung, weil er, Gandalf, die (in Valinor) verbliebenen Eldar liebte. Er lebte dort in der Gestalt eines der ihren und gab ihnen weise Ratschlüsse ein, ohne dass sie wussten von wem sie kamen (wer ihm zuhörte, in dem erwachten Ideen, wie Arda noch schöner werden könnte).

Gandalf war keinesfalls so begeistert von Manwës Idee und hielt sich für nicht stark genug für seine Aufgabe. Manwë jedoch befahl es ihm, gerade deswegen. Und tatsächlich stellte sich, wie wir alle wissen, Gandalf schließlich als der Einzige heraus, der wirklich seiner Aufgabe gewachsen war. In den NaME wird dieser Entsendung Gandalfs durch Manwë soviel Bedeutung zugemessen, dass es dort sogar als unmittelbares Eingreifen Manwës in die Geschicke Mittelerdes betrachtet wird:

Es ist verständlich, dass die Boten aus Valinor kamen, die die Istari (oder Zauberer) genannt wurden, und unter ihnen Gandalf, der sich als derjenige erwies, der den Angriff und die Verteidigung lenkte und ordnete.

Nachrichten aus Mittelerde, Teil Vier, Kapitel II, Die Istari

Damit bekommt Gandalfs Rolle ein ganz anderes Gewicht!

Als sich der Schatten des Bösen in Mittelerde erneut erhob, sollen viele sogar geglaubt haben, dass in Gandalf ein allerletztes Mal Manwë selbst erschienen sei, bevor er sich für immer auf den Taniquetil zurückzog. Ein Irrtum, wie Tolkien vermuten lässt:

Schickte er zur Niederwerfung Saurons denn nicht einen geringeren (aber mächtigen) Geist aus dem engelgleichen Volk, einen, der anfangs zweifellos Sauron an Alter und Rang gleichkam, und keinen anderen? Olórin war sein Name. Doch von Olórin werden wir niemals mehr wissen als das, was er in der Gestalt Gandalfs enthüllte.

Nachrichten aus Mittelerde, Teil Vier, Kapitel II, Die Istari

Falls ihr euch über die Art wundert wie hier der Schöpfer Gandalfs schreibt, dass „wir niemals mehr über ihn wissen werden, als …„: Tolkien spricht hier von seiner Mythologie wie von tatsächlichen Ereignissen weit zurück in einer anderen Zeit und einer anderen Welt. Er sieht sich hier selbst als Beobachter und nicht als Schöpfer des Ganzen.

Gandalf in Mittelerde

Gandalf war der letzte der Istari, der nach Mittelerde kam, wenn man den NaME glaubt. Im Silmarillion liest es sich im Kapitel „Von den Ringen der Macht“ nicht ganz so eindeutig. Das Datum von Gandalfs Ankunft in Mittelerde ist in der Tat nicht genau festzulegen, doch es war um die Zeit, als der Schatten sich wieder bemerkbar machte. Lt. der „Aufzählung der Jahre“ erschien er zu Beginn des 11. Jahrhunderts des Dritten Zeitalters im Westen.

Gandalf und die Hobbits

Die Größe seiner Macht zeigte er erst gegen Sauron, und die Hobbits dürften auf der Brücke von Khazad-dûm nicht schlecht gestaunt haben über die ungeheure Kraft, die ihrem Vertrauten innewohnte.

Aus dem Hobbit wissen wir, dass Gandalf indirekt daran beteiligt war, dass Bilbo den Ring fand indem er Bilbo dazu brachte, die Zwerge zu begleiten. Er wusste, dass dies aus irgendwelchen Gründen sehr wichtig war – Gründen, die selbst ihm erst viel später ins Bewusstsein kamen (NaME, „Die Fahrt zum Erebor“).

Instinktiv wusste er um die verborgene Stärke jenes kleinen Volkes aus dem Auenland, das in seiner absoluten Bescheidenheit und Genügsamkeit als einziges die Voraussetzung zu haben schien, dem Ring wenigstens einigermaßen widerstehen zu können – was durch die Tatsache, dass Bilbo nahezu freiwillig den Ring an Frodo weitergab, bestätigt wurde.

Die NaME weben hier einen Schicksalsfaden, der die Handlungen in Der Hobbit und Der Herr der Ringe zwar unsichtbar, aber dennoch untrennbar miteinander verbindet: mit dem unverheirateten, ungebundenen und für die Fahrt zum Erebor prädestinierten Hobbit Bilbo Beutlin, den Gandalf unter Aufbietung all seiner Überredungskünste mit den Zwergen auf die Wanderschaft schickt, und der nicht weniger schicksalshaft den für die Last des Ringträgers geradezu geschaffenen Waisen Frodo Beutlin aufnehmen sollte.

Die Zeit des Ringkrieges

Gandalf findet heraus, was es mit dem Ring auf sich hat und ist dafür verantwortlich, dass Frodo sich auf seine lange Reise begibt. Er ist Elronds wichtigster Ratgeber in dieser Zeit, der einzige, der um den Verrat Sarumans weiß, und wird einer der neun Gefährten.

In Khazad-dûm fällt er schließlich im Kampf gegen den ähnlich mächtigen Balrog aus Moria.

Nachdem er nach Mittelerde zurückgesandt war, wurde seine Macht und sein wahres Wesen für andere sichtbar:

Doch es wird gesagt, dass er am Ende der Aufgabe, um derentwillen er gekommen war, großes Leid erlitt, getötet wurde, nach dem Tod für eine kurze Zeit zurückgesandt wurde, nunmehr in Weiß gekleidet, und eine strahlende Flamme wurde (doch noch verhüllt, außer in großer Not).

Nachrichten aus Mittelerde, Teil Vier, Kapitel II, Die Istari

Keine Waffe Mittelerdes konnte ihm zu diesem Zeitpunkt mehr etwas anhaben. Hervorstechende und für den weiteren Verlauf bedeutende Taten waren

  • die Befreiung Théodens aus dem Bann Sarumans
  • seine Tätigkeit als Ratgeber Rohans und Gondors
  • der Einsatz seiner ihm innewohnenden Kraft, um den Nazgûlfürsten aufzuhalten, und
  • der Einsatz seines Gespürs für den richtigen Moment, Sauron abzulenken.

Nach dem Ringkrieg verschwand Gandalf mit Bilbo und Frodo für immer über das Meer.

Bilder und Impressionen von Gandalf

 

Etymologie – Herkunft und Geschichte des Namens Gandalf

Tolkien beschreibt in den NaME sehr deutlich, wie er den Namen „Gandalf“ entwickelt bzw. aus der altnordischen Mythologie hergeleitet hat:

Es ist tatsächlich ein altnordischer Name (in der Völuspa einem Zwerg beigelegt), der von mir verwendet wurde, weil er gandr (ein Stab, insbesondere Zauberstab) zu enthalten scheint, so dass man annehmen konnte, dass er „Elbengeschöpf mit einem (Zauber)Stab“ bedeutet.

Gandalf war kein Elbe, doch er wurde von Menschen mit ihnen in Verbindung gebracht, weil sein Bündnis und seine Freundschaft mit Elben wohlbekannt waren. Da der Name im Allgemeinen „dem Norden“ zugeschrieben wird, muss von Gandalf angenommen werden, dass es ein Westron-Name ist, der jedoch aus Elementen zusammengefügt ist, die nicht aus elbischen Sprachen abgeleitet sind.

Nachrichten aus Mittelerde, Teil Vier, Kapitel II, Die Istari

Das Kalevala als Inspirationsquelle

Künstler: Josef Madlener - Titel: Der Berggeist
Künstler: Josef Madlener – Titel: Der Berggeist

Neben der Sprache fand Tolkien im Kalevala auch viele Anregungen für die Charaktere seiner Geschichte. Der Held des Kalevala z.B. ist ein alter Zauberer, Väinamöinen, ein weiser Schamane, der seinem Volk ein besseres Leben ermöglichen wollte. Daraus entwickelte Tolkien Gandalf, den Zauberer.

Gandalfs Aussehen

Gandalfs Aussehen hat einen anderen Ursprung: Bevor Tolkien 1911 in Oxford das Studium der englischen Literatur und Sprache aufnahm, unternahm eine Reise in die Schweiz. Als bedeutungsvoll sollte sich der Kauf einer Ansichtskarte erweisen, die die Reproduktion des Bildes „Der Berggeist“ (entstanden zw. 1925 und 1930) des deutschen Malers Josef Madlener darstellte. Das Bild zeigte einen alten Mann mit langem weißem Bart, der einen runden, breitkrempigen Hut und einen langen Mantel trägt (siehe Illustration rechts). Tolkien versah die Postkarte später mit dem Hinweis „Gandalfs Ursprung„.

 

Gandalfs Namen und deren Bedeutung in Tolkiens Werken

‚Viele Namen habe ich in vielen Ländern‘, sagte er. ‚Mithrandir heiße ich bei den Elben, Tharkûn bei den Zwergen; Olórin war ich in meiner Jugend im Westen, der vergessen ist, im Süden Incánus, im Norden Gandalf; in den Osten gehe ich nicht.‘

Der Herr der Ringe, Viertes Buch, Fünftes Kapitel, Das Fenster nach Westen

Gandalf (Sprache: Westron)

So hieß er bei den Menschen: „Elb des Stabes„, weil er fast immer zu Fuß auf seinen Stab gestützt unterwegs war und man ihn für einen Elben hielt. „Norden“ bezieht sich auf den Nordwesten Mittelerdes, dessen Menschen nicht unter dem Einfluss Saurons standen. Er war dort auch für etwas Besonderes bekannt: denn eine besondere Liebe Gandalfs galt dem Feuer, seine Feuerwerke waren unter anderem auch bei den Hobbits sehr bekannt und beliebt und veranlassten Sam sogar, eine Strophe darüber zur Erinnerung an den grauen Wanderer nach dessen Sturz in die Tiefen Morias zu ersinnen.

Mithrandir (Sprache: Sindarin)

Mithrandir war der Name Gandalfs bei den Elben. Er kommt aus dem Sindarin, bedeutet nichts anderes als „Grauer Wanderer“ und bezog sich auf Kleidung und Lebensweise. Auch Männer von Stand in Gondor nannten ihn so, denn Männer wie Denethor und Faramir kannten und sprachen diese Sprache.

Olórin

Olórin war ein Hochelben-Name, jener der ihm in Valinor gegeben worden war. Olos bedeutet soviel wie Traum; aber nicht jener der Nacht, sondern eher wie Vision, Einbildungskraft, angewendet nur auf schöne Gebilde, nie auf Gegenstände der Täuschung oder des Machtmissbrauchs.

Tharkûn

So nannten ihn die Zwerge. Dieser Name bezieht sich wiederum auf seinen Stab, denn übersetzt bedeutet es einfach „Stabmann„.

Incánus

Der Name Incánus ist wird lt. den NaME als „andersartig“ gekennzeichnet, d.h. er entstammt weder dem Westron noch dem Elbischen (Sindarin oder Quenya), und er ist auch aus den übrigen Sprachen der Menschen des Nordens nicht erklärbar. Eine Anmerkung in Thains Buch besagt, dass es sich um die ins Quenya übernommene Form eines Wortes aus der Sprache der Haradrim handelt, das einfach „Nord-Spion“ (Inkā+nūs) bedeutet.

Incánus wurde Gandalf bei dem Volk der Haradrim genannt (Südvolk, das später weitgehend unter Saurons Einfluss stand). Die oben zitierte Passage ist die einzige, in der angedeutet wird, dass Gandalf auch weiter in den Süden gekommen sein musste.

Graumantel

So nannten ihn die Rohirrim.

Weißer Reiter“ wurde er nach seiner Rückkehr während des Ringkrieges manchmal genannt.

Auch einige „Schimpfnamen“ wurden ihm verliehen wie Sturmkrähe (Théoden), Láthspell (Gríma), Grauer Narr (Denethor)

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