Ich wurde in Goderich, Ontario, Kanada, in der Mitte der fünfziger Jahre geboren. Mein Vater war Elektrotechniker in der Royal Canadian Air Force und in der Nähe von Clinton stationiert. Meine ersten Erinnerungen sind die von einem dreijährigen Aufenthalt in Frankreich, in der Stadt Longuyon in der Nähe von Marville an der deutschen Grenze, wo unsere Familie lebte. Mein Vater war zu dieser Zeit dort stationiert. Als kleines Kind reisten wir in der Ferienzeit von dort aus in die angrenzenden Länder — die Erinnerungen an diese Zeit haben mich stark geprägt.
Bestimmte Orte beeindruckten mich besonders: Eine Reise zum berühmten Madurodam Miniaturpark in Den Haag, Holland, und ein Trip nach Luxemburg in den Parc Merveilleux, einem Märchen-Themenpark sowie eine Reise nach Verdun auf ein großen Soldatenfriedhof mit einem sehr imposanten Mausoleum — mit einer sehr düsteren Note.
Nachdem wir nach Ontario zurückkehrten erinnere ich mich an sehr idyllische Zeiten in Goderich, und an meine ersten Schultage.
Zwei Jahre später zogen wir nach Woodstock, einer kleinen Stadt, die eine halbe Tagesfahrt in Richtung Osten entfernt liegt. Mein Vater war monatelang weg von zu Hause auf der DEW Linie in der kanadischen Arktis, während meine Mutter, die ihre Lehrbefähigung erhielt, ihre Karriere als Lehrerin begann. Während meiner Kindheit zogen wir mehrere Male um. Mit acht Jahren zogen wir erneut um, diesmal in eine Wohnung in Don Mills, einer Vorstadt von Toronto.
Mein Lieblingszeitvertreib neben dem Zeichnen war der Modellbau (insbesondere Flugzeuge). Diese malte ich anschließend ab. Es war nicht immer eine glückliche Zeit; ich war krankhaft schüchtern, sozial unbeholfen und meine Eltern hatten sich vor dem letzten Umzug getrennt. Als ich in die High School kam riet man mir mich in einem kommerziellen Kunstprogramm anzumelden von dem ich bis dahin gar nicht wusste, dass es so etwas gibt. Umso mehr freute ich mich darüber. Davor war ich fest der Meinung, dass meine Angewohnheit, ständig alles zu skizzieren, eine ungesunde Ablenkung von Schularbeiten sei. Ich war natürlich ein Träumer. Während diesen Jahren, die mich so geprägt haben, verbrachte ich viele Stunden mit dem Zeichnen von Bildern. Motive waren meist „Jungen-Krams“, wie Raumschiffe, Flugzeuge, Autos oder Kriegsszenen; es half mir, den Druck von außen etwas abzudämpfen.
In der High School erwies sich der Unterricht in verschiedenen Kunstfächern für mich als ideale Umgebung und ich konnte aufblühen! In meinem dritten Schuljahr an der High School habe ich auf Empfehlung meiner Schwester Cathy „Der Herr der Ringe“ entdeckt. Diese faszinierende Trilogie wurde zu einem wichtigen und zutiefst befriedigendem neuen Schwerpunkt für mich. Es gibt nichts Schöneres als etwas Wichtiges zu finden, nach was man gar nicht gesucht hat!
Nach dem Abschluss mit Auszeichnung begann ich umgehend eine Lehre zum Architekturillustrator (3D Artist). In dem kleinen Studio „Visual Concept“ lernte ich viel über diese unterschätze Darstellungsform und ich beherrschte sie schnell. Ich arbeitete dort für mehrere Jahre und verzeichnete beachtliche Erfolge in dieser Branche. Als Michael Kelly, der Gründer und Inhaber des Studios, beschloss, eine neue Design-Firma zu starten und seine ganze Zeit in das neue Projekt zu investieren bot er mir an, seine Stammkundschaft an mich zu übertragen. Bis dahin erledigten meine Kollegen und ich sowieso schon die ganzen Aufträge. Das führte bald zu meiner vollständigen Unabhängigkeit als Architekturillustrator; in den folgenden Jahren führte ich meine Arbeit auf diesem Gebiet fort, beschäftigte mich aber auch mit anderen Darstellungsformen.
Es war während dieser Zeit, dass meine Kunst zu Tolkiens Welt, die ich schon seit Jahren und bis zu diesem Zeitpunkt privat praktizierte, ausgereift werden musste. Denn es war zweifellos eine Berufung und etwas, was eigentlich anerkannt werden sollte.
Es waren die drei Hochglanzkalender der Brüder Hildebrandt von 1976 , 77 und 78, die mich ernsthaft zur Veröffentlichung meiner Werke anspornten. Ihre Arbeiten waren zwar realistisch und detailliert, aber ich fühlte, dass ich sie an Qualität und Tiefe (auf Tolkiens Welt bezogen) übertreffen könnte. Der Vergleich half mir, meinen eigenen Stil weiter zu entwickeln und zu interpretieren.
Mit der Zeit wurde ich ein Mitglied von The Tolkien Society; von ihrer Existenz erfuhr ich durch eine Notiz n dem Kunstbuch Tolkien paintings (A Middle-Earth Album) von Joan Wyatt. Sie ermutigten mich, dass ich mich erneut an die Tolkien-Verleger George Allen und Unwin wandte, und dieses Mal antworteten sie positiv. Innerhalb weniger Monate boten sie mir an, 4 meiner Gouache-Arbeiten (diese Maltechnik vereint die Eigenschaften der Aquarell- und der Ölfarbe.) in den 1987er Tolkienkalender aufzunehmen. Endlich, ein Durchbruch!
Von diesem bis zu den folgenden Kalendern war nur ein kurzer Schritt. 4 Werke für den 1988er Kalender und meine erster kompletter Kalender im Jahr 1990, rund 14 Jahre, nachdem ich das erste Mal davon träumte. Weitere Kalender folgten, sowie die Verwendung von meinen Kunstwerken auf den Deckblättern der Taschenbuchausgaben von Der Herr der Ringe und Der Hobbit. Im Oktober 1996, kurz nach meiner Rückkehr aus England, erhielt ich einen gefaxten Brief von Tolkiens Verleger. Ich wurde gefragt ob ich daran interessiert sei, das Silmarillion zu illustrieren. Ich war außer mir vor Freude! Ein paar Monate zuvor schickte ich eine ganze Reihe von Farbskizzen zu ihnen, nachdem ich einige Monate lang eine Menge kleiner Bleistiftzeichnungen, inspiriert durch das Buch, erstellte. Mit diesem selbst ernannten Projekt hatte ich die vage Hoffnung auf eine Publikation der Werke als Kunstbuch. Stattdessen sind sie die Verhandlungsgrundlage für die allererste Veröffentlichung dieses unterschätzten Meisterwerks geworden.
Diese neue illustrierte Ausgabe des Silmarillion wurde im Herbst 1998 veröffentlicht und war natürlich ein sehr wichtiger Meilenstein für mich als Tolkienkünstler. Dennoch, Der Herr der Ringe bleibt meine „erste Liebe“, und der Auftrag, die Kunstwerke für drei aufeinanderfolgende HdR-Kalender zu malen (2002 , 2003, und 2004) gab mir eine perfekte Gelegenheit, meinen künstlerischen Output in Sachen Herr der Ringe zu erweitern. Während dieser Zeit wurde eine aktualisierte 2. Auflage des illustrierten Silmarillion (2004) veröffentlicht, mit fast doppelt so viele Farbabbildungen. Auf dieses bin ich am meisten stolz.
Abgesehen von meiner Karriere als Illustrator habe ich eine musikalische Seite. Von Jugend an war ich ein Gitarrist und Sänger, schrieb viele Songs (einige sind von Tolkien inspiriert); außerdem sang ich als Tenor in mehreren Chören, sowohl gottesdienst- als auch konzertorientiert. In den 1970er Jahren verfolgte ich mit meinen Brüdern Jim und Bruce leidenschaftlich die Kunst des Songwriting und des Komponierens. Einige Ergüsse aus dieser Phase hielten der Zeit stand, andere wiederum nicht so sehr! Gelegentlich schreibe ich immer noch Musik. Ein bemerkenswertes Projekt war die Zusammensetzung eines Liederzyklus der Geschichte von Beren und Lúthien, in Zusammenarbeit mit meinem Freund und Autor/Schüler/Musiker Alex Lewis.
Ich sollte auch mein Leben als Bassist in einem Rock-Trio zusammen mit meinem Bruder Bruce erwähnen (Ende 2011). „Die Petition“ mit Schlagzeuger Jeff Goldstein ist meine/unsere Art „Dampf abzulassen“.
In den letzten Jahren wurde die Inspiration durch die Werke von George R.R. Martin ein wichtiges Element meiner neueren Illustrationen. Eine Reihe von Burg-Gemälden; Darstellungen von mehreren Königshäusern, wie sie in A Game of Thrones und seinen Fortsetzungen beschrieben werden, wurden im Jahr 2007 in Auftrag gegeben für „Die Welt von Eis und Feuer„. Die Reihe erschien in dem George R.R. Martin-Kalender von Random House im Jahr 2011. Vor kurzem habe ich den Auftrag erhalten, eine limitierte Deluxe-Version von A Game of Thrones zu illustrieren. Ich bin sehr aufgeregt, so stark in diesem Kunstprojekt mitwirken zu dürfen.
Und schließlich, seit Kurzem, nach dem Umzug in die Stadt Bradford, wohne ich derzeit mit meinem Partner zusammen. Ich habe Bleistift, Farbstift, Pastell und Öl wieder entdeckt. Ich widme meine künstlerische Zeit dem Malen des malerischen ländlichen Zerfalls in zusammenbrechenden Scheunen, Schuppen und Bauernhäusern. Und wann immer es die Zeit erlaubt in meinem sehr beschäftigten Leben suche ich den Weg in den Norden von Ontario. Die Gegend dort befriedigt meine Liebe zur Natur , die mich zeitlebens begleitet und erfüllt . Es bietet mir eine Art Fluchtmöglichkeit, wie es nur eine Wildnis bieten kann.
Ted Nasmith / September 2012