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Geschichte und Wesen der Nazgûl

Aragorn, der über die Nazgûl Bescheid wusste, meinte:

Sie sehen die Welt des Lichts nicht so wie wir, aber unsere Gestalten werfen in ihrem Geist Schatten, die nur die Mittagssonne zerstört; und in der Dunkelheit nehmen sie viele Zeichen und Formen wahr, die uns verborgen sind … Und zu jeder Zeit riechen sie das Blut von lebenden Wesen, begehren und hassen es. Auch gibt es andere Sinneswahrnehmungen als Sehen und Riechen …

Auf Pferden zeigten sie sich nur, wenn Sauron, ihr Gebieter, vermeiden wollte, dass sie unnötiges Aufsehen erregten; zu anderen Zeiten bedienten sie sich geflügelter Reittiere, einer Art Riesenfledermäuse. Die Waffen, die sie gebrauchten, wie z. B. das Morgul-Messer, waren mit schwarzen Formeln präpariert; aber noch wirksamer war die unbezähmbare Furcht, die sie erweckten, wenn sie mit schrillen, Nerven zerfetzenden Schreien durch die Lüfte flogen. Ihrerseits waren sie nicht unverwundbar. Mit Feuer und fließendem Wasser wurden sie an der Bruinen-Furt zurückgetrieben. Gewöhnliche Schwerter zersplitterten zwar an ihnen, aber beschriftete Klingen elbischer oder númenórischer Herkunft erzielten Wirkung.

Am empfindlichsten waren sie gegen Willensstörungen, die von Sauron selbst ausgingen und sich auf sie übertrugen, denn sie wurden von ihm gelenkt, und ohne ihn waren sie nichts. Als Ar-Pharazôns Heer Sauron einschüchterte, versagte auch ihnen der Mut; und als ihr Gebieter nach dem Krieg des Letzten Bündnisses für tausend Jahre untertauchen musste, ließen auch sie sich nicht mehr blicken. Dies waren die Ringgeister, im Quenya Úlairi, meistens aber mit dem gleichbedeutenden Wort aus der Schwarzen Sprache die Nazgûl genannt. Sie hatten die Neun Ringe der Macht getragen, die Sauron an die Menschen ausgeteilt hatte. Sie waren Mächtige ihrer Zeit, die Könige, Magier und Krieger von einst.

Allmählich fielen sie unter die Herrschaft des Einen Rings und wurden zu Schatten als solche aber nahezu unsterblich. Wie sich ihr Verhältnis zu Sauron kompliziert haben muss, seit er den Herrscherring nicht mehr besaß, kann man nur ahnen. Wahrscheinlich hatte er ihnen die Neun Ringe wieder abgenommen. Ihr Oberster war der Schwarze Heermeister, der größer zu sein schien als die anderen acht und eine Krone auf dem Helm trug. Der Zweite in ihrer Hierarchie hieß Khamûl und wurde auch der schwarze Ostling oder der Schatten aus dem Osten genannt. Er soll derjenige gewesen sein, der in Hobbingen nach einem gewissen Beutlin fragte; zuvor war er der Befehlshaber von Dol Guldur, als Sauron nach Mordor zurückgekehrt war. Drei der Nazgûl sollen Fürsten aus edlem númenórischen Geschlecht gewesen sein.

Die Stadt der Ringgeister war Minas Morgul, das sie im Jahre 2002 D.Z. erobert hatten. Von hier aus bereiteten sie in Mordor Saurons Rückkehr vor. Als der Herrscherring vernichtet war und Barad-dûr einstürzte, verglühten die Nazgûl am Himmel wie Sternschnuppen.

Im Unterschied zu den Orks beherrschten die Nazgûl die Schwarze Sprache. Wenn sie Westron sprachen, machten sie immer nur wenige Worte, meist im Ton des Befehls. „Stirb und fluche vergebens!“ sagte der Schwarze Heermeister, am Tor von Minas Tirith, als er gegen Gandalf die Waffe hob.

Der Hexenkönig von Angmar

Über tausend Jahre nach seiner Niederlage im Krieg des Letzten Bündnisses, als Sauron sich in Dol Guldur wieder erholt hatte, kam der Anführer der Nazgûl in den Norden, um dort seine Machtbasis zu schaffen. Es ist nicht klar, wie weit Sauron damals nach dem Verlust des Herrscherrings die Nazgûl wirklich kontrollierte; jedenfalls handelte ihr Anführer mehr oder weniger selbstständig.

In dem Gebiet um die nördlichen Ausläufer des Nebelgebirges sammelte er Orks und wüste Menschenvölker um sich, und bei Carn Dûm erbaute er eine Festung. Nicht weit südöstlich davon lag die große Orkstadt unter dem Berg von Gundabad. Das ganze Gebiet wurde Angmar („Eisenheim“) genannt, und sein Gebieter machte sich als der „Hexenkönig von Angmar“ einen Namen. Wenn er in schwarzer Rüstung, mit schwarzer Maske und auf seinem schwarzen Pferd in die Schlacht ritt, einen Herz und Hirn durchbohrenden Schrei ausstoßend, gingen manchen Dúnedain die Pferde durch. Besonders stark war er im Winter: Die Lossoth glaubten, er könne über Frost und Tauwetter bestimmen.

Auf die Vernichtung der Dúnedain und ihrer drei zerstrittenen Fürstentümer im Norden hatte er es abgesehen. In Rhudaur fand er Verbündete. Im Jahre 1409 D.Z. drang er nach Cardolan ein und eroberte die Wetterspitze. König Arveleg von Arthedain fiel, aber seine Nachfolger und ein Rest der Dúnedain von Cardolan leisteten beharrlichen Widerstand. Erst 1974 D.Z. konnte der Hexenkönig Arthedain erobern und König Arvedui aus seiner Hauptstadt Fornost vertreiben. Zwar wurde er im Jahr darauf von einem Heer aus Gondor unter der Führung von Earnur besiegt, aber Angmar blieb eine üble Gegend, wo Orks, Wölfe und Trolle unter sich waren.

Der Hexenkönig verließ den Norden und ging nach Mordor, wo er die anderen Nazgûl um sich sammelte. Während des Ringkrieges war er der Schwarze Heermeister. Er ritt mit einer riesigen Armee unter dem Banner des Totenkopfmondes und schwarzen Rüstungen gen Minas Tirith aus mit einer Königskrone auf dem Haupt.