Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Mit Alben wie Nightfall in Middle-Earth und Songs wie Lord of the Rings und War of Wrath gehören Blind Guardian zur Garde der Künstler, die sich von Tolkiens Epos inspiriert zeigen. Besonders Sänger und Sprachrohr Hansi Kürsch ist von der fantastischen Geschichte um den mystischen Ring fasziniert. In einem Interview mit der Zeitschrift Metal Heart erzählt er, wann er dem Herrn der Ringe zum ersten Mal begegnet ist und welchen Einfluss die Bücher auf ihn haben.

Das Interview fand nach dem Erscheinen des ersten Teils Der Herr der Ringe – Die Gefährten (Peter Jackson, 2001) und vor dem Erscheinen der dazugehörigen DVD statt.

Interview

Metal Heart: Wie bist du zum ersten Mal mit Tolkiens Trilogie in Berührung gekommen?

Hansi Kürsch:
Mit 12 drückte ich die Schulbank und als es an die Pflichtlektüren ging, hat ein Klassenkamerad den Kleinen Hobbit von Tolkien vorgeschlagen. Auf das Buch hatte ich aber absolut keine Lust, habe es vehement abgeschmettert und stattdessen die Lektüre des Pseudosozialdramas Rolltreppe abwärts vorgeschlagen, für die 12jährige Zielgruppe wirklich die optimale Lektüre (lacht). Da war ich eben grad in meiner sozialkritischen Phase (lacht). Doch der Titel Der Kleine Hobbit ging mir von da an nicht mehr aus dem Kopf.
Ein Freund meiner Schwester hatte das Buch und hat es mir dann ausgeliehen und ich las es. Und was soll ich sagen, mein Desinteresse war wie weggewischt, ich war tief beeindruckt. Der Titel der Herr der Ringe war mir da zwar schon ein Begriff, doch ich wusste nicht das es zwischen den beiden Geschichten einen Zusammenhang gibt. Als ich das dann erfuhr, musste das Buch sofort her, ich war schon von seinen über 1.000 Seiten beeindruckt und sein Inhalt beeindruckte mich noch viel mehr. Und seitdem war es bei mir dann so wie mit den guten alten Schallplatten. Wann immer ich irgendwo in einem einschlägigem Geschäft war, schaute ich mich nach diversen Verschiedenen Ausgaben um. Normalerweise braucht man ja nur eine Ausgabe von einem Buch, doch wenn man genauso Fan und verrückt ist wie ich, dann reicht „nur“ eine Ausgabe eben nicht.

Metal Heart: Wie weit geht dein Sammelwahn? Wie viele verschieden Ausgaben besitzt du?

Hansi Kürsch:
Ohne jetzt hundertprozentig sicher zu sein, 16 oder 17, da sind natürlich auch so welche dabei die ich nicht lesen kann (lacht). Japanische, schwedische, portugiesische und ich glaube eine russische. Von deutschen Ausgaben müsste ich so 6 oder 7 verschiedene besitzen.

Metal Heart: Der Kleine Hobbit ist, wenn man so will, die Vorgeschichte zum Herrn der Ringe. Im welchem Verhältnis zum eigenen Roman steht er für dich?

Hansi Kürsch:
Ich hoffe nur das sich eines Tages, am besten Peter Jackson, daran macht, auch diese Geschichte zu verfilmen. Sie ist in der Erzählweise ein wenig märchenhafter als der Herr der Ringe. Der kleine Hobbit ist eine Geschichte, die ich ohne Bedenken und Probleme als Tolkieneinstieg auch Jugendlichen empfehlen kann. Da kann man eine gute Zeit mit einer schönen, für jeden nachvollziehbaren Geschichte verbringen. Bei der Herr der Ringe ist es ja so, dass man viel Zeit mitbringen und auf Detailverliebtheit bedacht sein muss, um vollständigen Zugang zum Buch zu bekommen und darauf hundertprozentig abzufahren.

Metal Heart: Stichwort Peter Jackson: Aus deiner vorherigen Aussage zu schließen hältst du den neuseeländischen Filmemacher wohl für eine gute Wahl um Tolkiens Werk für die Leinwand zu adaptieren?

Hansi Kürsch:
Ich kenne natürlich seine Splatterfilmvergangenheit, ich kenne aber auch seinen etwas „zivileren“ Film „Frighteners“ mit Michael J. Fox in der Hauptrolle. Als ich zum ersten Mal hörte, dass Jackson mein absolutes Lieblingsbuch verfilmen soll, hielt ich das für eine Ente und konnte mir nicht vorstellen, dass ein solches Unternehmen überhaupt realisierbar sein könnte.

Metal Heart: Wenn überhaupt welchem Filmemacher hättest du die Bewältigung einer so komplexen Aufgabe zugetraut? Steven Spielberg etwa?

Hansi Kürsch:
Am ehesten wohl George Lucas, der ist wohl mit Star Wars etwas vorbelastet, aber er hat mit Willow, einen meiner Meinung nach besten Fantasyfilme aller Zeiten gedreht, in dem die Problematik der Darstellung von kleinen Menschen sehr gut gelöst worden ist. Spielberg wäre natürlich auch eine Lösung gewesen, aber Lucas und Spielberg stehen doch ein wenig für Hollywoodkitsch. Jackson war eine in der Tat eine kongeniale Wahl. Alleine einige seiner Landschaftsaufnahmen sind unbezahlbar und es ist für uns Europäer unvorstellbar, das er auf der Insel Neuseeland so viele Locations vorfand die dem Ambiente und Flair des Buches entsprechen.

Metal Heart: Stichwort Schauspieler, Elijah Wood als Frodo Baggins, Sir Ian McKellen als Zauberer Gandalf oder Christopher Lee als Saruman, sind die Charaktere gut besetzt worden?

Hansi Kürsch:
Das Aussehen der Charaktere ist bereits von einigen guten englischen und amerikanischen Künstlern in den jeweiligen Ausgaben der Bücher oder Comics dargestellt worden. Es gab auch schon den Zeichentrickfilm von Ralph Bakshi, in dem die Protagonisten quasi vorgezeichnet wurden. Und es wird im Buch – zum Teil zumindest – ziemlich gut beschrieben, in welche Richtung die Figuren tendieren. Mein eigenes Empfinden und auch das einiger Leute, mit denen ich darüber gesprochen habe, sieht so aus, dass die Charaktere sehr gut besetzt worden sind. Peter Jackson und seine Mitarbeiter haben meiner Meinung nach eine Art Morphing durchgeführt und eine gesunde Mixtur daraus gebildet, wie die einzelnen Charaktere von diversen Künstlern in der Vergangenheit dargestellt worden sind.

Metal Heart: Die von dir erwähnte Zeichentrickversion von der Herr der Ringe aus dem Jahre 1977 ist seinerzeit nicht gut bei der Fangemeinde angekommen. Mochtest du Bakshis Visionen?

Hansi Kürsch:
Ich fand es schade das Bakshi keinen zweiten Teil mehr gemacht hat oder machen konnte. Seine Idee, Menschen in dem Film sozusagen einzufärben und wie Zeichentrick Figuren aussehen zu lassen, fand ich im Grunde genommen genial. Da sind einige Ansätze dabei, die so richtig groß sind. Peter S. Beagle hat damals zusammen mit Chris Conkling die Story gut ins Drehbuch hinübergerettet. Beagle ist bekanntlich der Autor von Das letzte Einhorn und hat bei der Adaption von Tolkiens Roman ganze Arbeit geleistet. Jackson hat den Trickfilm sicherlich gesehen, denn er hat seinen Film stark an ihn gehalten, obwohl er zum Beispiel den Zwist der beiden Zauberer Gandalf und Saruman noch wesentlich stärker herausgekehrt hat.

Metal Heart: Tolkiens Erzählung bleibt teilweise fast stehen, es gibt Handlungsleerläufe, die zwar zur Vertiefung der Weltordnung dienen, Die hat Jackson im Film fast komplett außen vor gelassen.

Hansi Kürsch:
Das war wohl sozusagen der Preis an Hollywood. Der Film war nicht billig man wollte mit ihm möglichst viele Zuschauer erreichen. Nicht nur die Insider. Es war mir fast klar das die Handlung gestrafft wird und dass dadurch ein höheres Tempo erreicht wird und sämtliche Stillleben weggelassen werden. Wenn man sich das Buch Der Herr der Ringe genau vornimmt, muss man ganz klar sagen, dass die ersten 50-60 Seiten an und für sich nichts mit der eigentlichen Story zu tun haben. Da geht es um Details, da geht es um Hobbitkunde. All das wurde im Film allenfalls in kleinen Details oder Gesprächen abgehandelt, und das war vollkommen in Ordnung so.

Metal Heart: Die Gemeinde freut sich schon sehr auf die neue DVD, doch noch mehr auf den 2ten Teil „Die Zwei Türme“, der im Dezember in Deutschland anlaufen wird. Wie sieht es diesbezüglich bei dir aus?

Hansi Kürsch:
Meine Erwartungshaltung diesbezüglich ist sehr groß. Das erste Buch ist nämlich das langweiligste, erst in diesem zweiten Teil knallt es so richtig. Ich finde ihn auch erheblich stärker als den dritten Teil. Auch deswegen bin ich auf Jacksons Verfilmung des dritten Teils sehr gespannt. Mal sehen, ob Jackson die Geschichte weiterspinnt oder nach dem Ende der eigentlichen Story einfach Schluss macht und alle zufrieden und froh nach Hause gehen. Aber der 2te Teil zumindest in Buchform der stärkste: sehr dunkel, sehr interessant. Ähnlich wie bei den alten Star Wars-Filmen. Da fand ich den zweiten Teil auch am besten. Dort war es doch sehr beeindruckend zu sehen, wie das Gefühl der Macht aufkommt, die die dunkle Seite hat. So ähnlich ist es auch mit der Herr Der Ringe – Die Zwei Türme. Die Geschichte ist interessanter und ergreifender als die der beiden anderen Teile.

Metal Heart: Wirst du wenn der Film anläuft, ein besonderes Ritual vollführen?

Hansi Kürsch:
Du meinst, vor dem Kino übernachten, in dem der Film anlaufen wir? Nee, also ganz so weit geht meine Liebe auch wieder nicht. An dem Tag an dem der Film in Deutschland anlaufen wird, sind wir mit der Band noch in Nordamerkia auf Tour, oder wir kommen gerade zurück. Ich werde irgendwann – mit meiner Frau – ins Kino gehen, mir einen guten Platz sichern und nur noch auf Jacksons Visionen gespannt sein. Und ein gewisses Ritual wird es doch geben: Ohne eine Cola, Popcorn und Tacco Chips kann ich mir den Kinobesuch nicht so richtig vorstellen! Erst in dieser Einheit stimmt für mich das Kinoerlebnis. Aber am ersten Tag muss ich nicht gleich unbedingt rein. Das kann ich dann grade noch so erwarten.

Quelle: Metal Heart
Das Interview führte: Nikolas Krofia